Soll ich’s wirklich machen, oder lass ich’s lieber sein?

Das ist, glaube ich, das beste Motto, das ich mir für den AUDI Triathlon Ingolstadt setzen konnte. Aber fangen wir von vorne an. Eigentlich sollte der Ingolstädter Triathlon im Juni stattfinden, aber das Hochwasser hat alles durcheinandergeworfen. Statt am 9. Juni wurde das Rennen auf den 22. September 2024 verschoben – ausgerechnet ans Ende der Saison. Mein Heimtriathlon wurde plötzlich von einem Vorbereitungswettkampf für den IRONMAN Hamburg zu einer Mitteldistanz, die mir vor allem eine Woche vor dem 50. BMW Berlin Marathon im Nacken sitzt.

Und als ob das nicht genug wäre, haben sich meine Nackenschmerzen nach der Challenge Almere in der Vorwoche auch kein Stück gebessert. Jeder Schwimmzug schmerzt, Radfahren in Aeroposition? Unmöglich. Und Laufen? Ein einziges Durchhalten. Zwei Tage zuvor war ich noch einmal bei meinem Sportorthopäden Stephan Ehler – mit der Hoffnung, einen klaren Ratschlag zu bekommen. Stattdessen seine Worte: „Hör auf dein Bauchgefühl am Morgen des Rennens.“ Wie soll ich darauf eine Entscheidung treffen?

Damit war ich wieder bei meinem inneren Mantra: „Soll ich’s wirklich machen, oder lass ich’s lieber sein?“ Um mir alle Optionen offen zu halten, habe ich am Samstag bereits mein Rad eingecheckt, die Unterlagen abgeholt, alles vorbereitet. Aber in meinem Kopf war ich noch ganz woanders. Die Katastrophe beim Schwimmen in Almere spukte mir immer noch im Kopf herum, dazu seit dem Ironman Hamburg kein Radtraining. Und dann war da noch die nächste Herausforderung: der Berlin Marathon nur eine Woche später. Jede Faser in mir schrie danach, bloß kein unnötiges Risiko einzugehen. In meiner WhatsApp-Gruppe des TSV Neuburg Triathlon dagegen spürte ich die aufgeregte Vorfreude der anderen. Eine Entscheidung, die mich keine ruhige Nacht schlafen ließ.

Sonntagmorgen. Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr, doch ich war schon seit 4 Uhr wach. Gedanken rasten durch meinen Kopf, die Zweifel wucherten. Ich bereitete mich vor, wie ich es vor jedem Rennen tue, aber heute war alles langsamer, zögerlicher – bewusst oder unbewusst. Um 6:20 Uhr saß ich im Auto – viel zu knapp! Die Wechselzone schloss um 7:15 Uhr, und ich musste noch meine Laufschuhe, Radschuhe, die Rennverpflegung und ein Handtuch ablegen. In mir brannte die Angst, zu spät zu kommen. Aber auch eine andere Angst: Was, wenn ich wirklich starte?

Zum Glück lief es dann doch: ein Parkplatz war schnell gefunden, der Fußweg zur Wechselzone etwa 15 Minuten. Es war kurz nach 7 Uhr – noch knapp 15 Minuten bis zur Schließung der Zone. Ich traf meine Kollegen vom TSV Neuburg, und obwohl wir nur einen kurzen Smalltalk hielten, war ich schon völlig im Wettkampfmodus. Ein Offizieller am Eingang der Wechselzone forderte mich auf, mich zu beeilen: nur noch eine Minute! Schnell alles hingeworfen, Schwimmsachen geschnappt und los zur Wettkampfbesprechung.

Dann der nächste Schock: Die Wassertemperatur lag bei 17,1°C – nur 0,1°C über dem Schwimmverbot. Die Kälte kroch mir schon in die Knochen, bevor ich überhaupt im Wasser war. Alles in mir rebellierte. Aber ich wollte durchziehen, ich hatte mir vorgenommen, das Ding zu Ende zu bringen. Während ich mich aufwärmte, versuchte ich die Zweifel und Ängste zu verdrängen.

8 Uhr. Die erste Startwelle ging ins Wasser, mein Start war für 8:15 Uhr angesetzt. Als ich ins Wasser ging, fühlte es sich an, als würde mir die Luft wegbleiben. 1.900 Meter lagen vor mir – eine lange Strecke, wenn man mit der Kälte kämpft. Die ersten 200-300 Meter waren die Hölle. Aber dann, langsam, fand ich meinen Rhythmus. Ruhige, lange Züge, von Boje zu Boje. Irgendwann war ich im Flow, das Adrenalin setzte ein. Ich hatte Platz zwischen den anderen Schwimmern, und das Gefühl, wieder Kontrolle zu haben, gab mir neue Kraft. 45 Minuten später war das Schwimmen geschafft – was für eine Erleichterung! Der erste Teil lag hinter mir.

Schnell in die Wechselzone, rauf aufs Rad. Das Rad war noch klamm von der kalten Nacht. Ich hoffte inständig, dass der Reifendruck noch stimmte – ich hatte keine Zeit mehr gehabt, ihn zu überprüfen. Mein Plan war klar: mit einem Schnitt von 32 km/h solide fahren, die Beine schonen. Die ersten Kilometer liefen gut, ich konnte einige Plätze gutmachen.

Erste Runde lief gut an

Aber dann, kurz vor dem Wendepunkt, holte mich die Realität ein. Die fehlenden Trainingseinheiten auf dem Rad machten sich bemerkbar. Die Abfahrt ging ich mit Vorsicht an – bloß kein Sturz, dachte ich mir.

Wieder auf dem Weg zur Runde 2

Die zweite Radrunde war hart. Der Schmerz kam schleichend, aber ich hielt das Tempo, so gut es ging. Trotzdem spürte ich, dass ich bei der Wettkampfnahrung gespart hatte – und das würde sich rächen.

Deutlich gezeichnet auf dem Weg in die Wechselzone

Die Strecke wurde zur Qual, aber ich biss die Zähne zusammen. Nach 2:42:03 h erreichte ich die Wechselzone – endlich Laufen!

Kurzer Wechsel, ein großer Schluck aus der Rennverpflegung, die Gels griffbereit in der Hand, und los ging es. Die ersten Meter waren immer die schwersten. Meine Beine waren schwer, der Marathon von der Vorwoche noch präsent. Aber es lief besser, als ich erwartet hatte. Überraschenderweise machte mir mein Nacken beim Laufen keine Probleme mehr – auf dem Rad hatte ich noch jeden einzelnen Schmerz gespürt. Es war fast, als hätte ich neuen Antrieb bekommen.

Die erste Laufrunde war sehr gut

Die ersten Kilometer am Baggersee liefen gut, ich fand meinen Laufrhythmus. Die Zuschauer feuerten uns Athleten an, das Wetter war perfekt. Aber die zweite Runde wurde zur Qual. Meine Pace brach ein, die Beine wurden schwer. Als dann noch eine Athletin vor mir stürzte, blieb mir kurz das Herz stehen. Ich hielt an, half ihr wieder auf die Beine, bevor ich meinen Lauf fortsetzte. Die letzten Kilometer zogen sich endlos hin. Doch dann, endlich, die letzte Abbiegung in den Zielbereich.

Die letzten Meter im Klenzepark

Noch einmal durch den Klenzepark, durch die Menschenmassen, die uns anfeuerten. Und dann: das Ziel. Nach 1:39:09 h Laufen und insgesamt 5:15:11 h war es geschafft. Ich war im Ziel, ohne Verletzung und mit einer Zeit, die mich zufriedenstellte. Eine Woche vor dem Berlin Marathon – und ich hatte es durchgezogen.

Zieleinlauf

Ich gönnte mir ein Erdinger Alkoholfrei am Stand und traf meine Kollegen vom TSV Neuburg. Das Rennen war vorbei, keine Bestzeit, aber es war okay. Am wichtigsten war, dass ich eine gute Laufleistung gezeigt hatte – und mich nicht verletzt hatte. Und das hatte ich geschafft. Bis zum nächsten Jahr. Danke, Triathlon Ingolstadt.

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